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Format
Meldung
Date
24. September 2024

Klimafreundliches Bauen als Treiber der Industrietransformation

Klimafreundliches Bauen ist ein wichtiger Hebel, um den Umstieg auf eine weitgehend emissionsfreie Grundstoffproduktion in der Industrie anzukurbeln. Eine neue Studie von Agora Industrie zeigt, welche Schritte dafür nötig sind und warum die Messung und Begrenzung von sogenannten Embodied-Carbon-Emissionen hierbei eine entscheidende Rolle spielt.

Für die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität ist der Umstieg auf eine weitgehend emissionsfreie Produktion von Grundstoffen wie Stahl und Zement zentral. Klimafreundliches Bauen kann diesen Wandel fördern: Der Bausektor ist einer der größten Nachfrager solcher Grundstoffe, deren Herstellung und Nutzung derzeit für bis zu 90 Prozent des CO2-Fußabdrucks im Lebenszyklus neuer Gebäude verantwortlich ist. Diese so genannten „Embodied-Carbon-Emissionen“ (ECE) – also Emissionen aus der Herstellung und Verarbeitung von Baustoffen – beliefen sich in Deutschland bei Betrachtung aller Materialien im Jahr 2023 auf circa 73 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Eine neue Studie von Agora Industrie zeigt nun, wie diese Emissionen bis 2045 um 90 Prozent gesenkt werden können, und damit dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht.

Für die Reduktion der ECE von Gebäuden sind verschiedene Ansätze notwendig. Dazu gehören die zunehmende Verwendung von kreislauffähigen Materialien und Komponenten, die Umstellung auf weitgehend emissionsfreie Baustoffe, aber auch Materialsubstitution und zirkuläre und effizientere Baupraktiken. Bereits mit heute verfügbaren Produkten und Techniken lassen sich Emissionen erheblich mindern. 

Als zentraler Abnehmer industrieller Grundstoffe hat die Bauindustrie eine Schlüsselrolle, um Investitionen für eine saubere Grundstoffproduktion anzuregen und dadurch Leitmärkte zu schaffen, wie sie auf nationaler und europäischer Ebene gefordert werden. Die Agora-Studie zeigt, wie eine harmonisierte Berechnungs- und Offenlegungspflicht von ECE sowie eine Einführung von Grenzwerten die Nachfrage nach CO2-armen Produkten ankurbeln kann. Um sicherzustellen, dass die Marktteilnehmenden ausreichend Vorbereitungs- und Anpassungszeit haben, schlagen die Autoren ein zweistufiges Verfahren für die Implementierung von ECE-Grenzwerten für Deutschland im Einklang mit der EU-Gebäuderichtlinie vor. So würde in einer Einführungsphase ab 2027 eine Berechnungs- und Offenlegungspflicht für Embodied-Carbon-Emissionen gelten. Als Teil dieser Verpflichtung würden analog zu den aus dem Energieausweis bekannten Effizienzklassen von Gebäuden "Herstellungs-Klimaklassen" für ECE eingeführt. Ab 2029 wäre für neue öffentliche Gebäude und sonstige Neubauten ab 1.000 Quadratmeter die Einhaltung von ECE-Grenzwerten verpflichtend. Diese Pflicht würde schrittweise auf alle Neubauten ausgeweitet werden.

Neben dem Einsatz klimafreundlicher Materialien können zudem Anpassungen im Baurecht und Anreize für eine kreislauforientierte Bauweise den Übergang zu emissionsarmen Lösungen weiter beschleunigen. Dazu gehören das Recyceln und Wiederverwenden von Materialien sowie der Umstieg von mineralischen Rohstoffen wie Beton, Ziegel oder Kalksandstein auf erneuerbare Rohstoffe. 

Die Agora-Studie empfiehlt zudem weitere Maßnahmen für die Reduzierung von ECE. Eine verbesserte Datengrundlage und transparente Kennzeichnungssysteme für klimafreundliche Grundstoffe helfen dabei, den Bekanntheitsgrad klimafreundlicher Produkte zu erhöhen und eine Vergleichbarkeit entlang der ECE-Werte zu ermöglichen. Zusätzlich braucht es Weiterbildungsmöglichkeiten für die Beteiligten entlang des Planungs- und Bauprozesses.

Die Autoren machen deutlich, dass der Einsatz klimafreundlicher Stoffe nicht zu erheblichen Mehrkosten am Bau führt. Während die Kosten für die Herstellung weitgehend emissionsfreier Materialien wie Stahl und Beton aktuell höher sind, hebt dies die Konstruktionskosten mittelfristig nur marginal an – vergleichbar mit anderen baulichen Veränderungen, etwa der Wahl einer höherwertigen Fassade. Langfristig gesehen wird erwartet, dass die Kosten für klimafreundlichen Stahl und Beton, sowie weitgehend emissionsfreie Ziegelprodukte, auf das Niveau konventioneller Materialien sinken und bis 2050 sogar günstiger sein werden. Denn zum einen sinken die Kosten für klimaneutrale Produktionstechnologien, zum anderen verteuert sich die konventionelle Produktion durch den steigenden CO2-Preis. Die Entstehung von Leitmärkten für klimafreundliche Produkte kann diese Preisentwicklung vorantreiben.

Die Bauwirtschaft kann eine Vorreiterrolle bei der Schaffung von Leitmärkten für klimafreundliche Materialien einnehmen. Etabliert sich die Produktion solcher Baustoffe auch für den Gebrauch in anderen Nachfragesektoren, beschleunigt dies die langfristige Transformation der gesamten Industrie. 

Wie in anderen Transformationsbereichen hängt die Wirtschaftlichkeit von klimafreundlichem Bauen auch davon ab, dass Erneuerbare Energien ausgebaut und die Entwicklung innovativer Technologien zur Produktion emissionsarmer Grundstoffe gefördert werden.

Die 98-seitige Studie ‚Reduktion und Regulierung von Embodied-Carbon-Emissionen im deutschen Gebäudesektor‘ wurde vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH  und Ramboll Management Consulting Brussels SA/NV im Auftrag von Agora Industrie erstellt. Sie kann unten kostenlos heruntergeladen werden.
 

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